Veranstaltung: | Klimafreundliche Mobilität Stärken – Alternativen zum Flugverkehr Ausbauen |
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Antragsteller*in: | Julian Hitschler (LAG Europa BER/BB) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.10.2019, 13:48 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A1NEU28: Klimafreundliche Mobilität Stärken – Alternativen zum Flugverkehr Ausbauen
Antragstext
Alternativen für klimafreundliches Reisen in Europa schaffen –
Nachtzugverbindungen wiederherstellen und über Nacht den Tag gewinnen!
Das europäische Verkehrssystem ist zu einseitig auf den Straßen- und Luftverkehr
ausgerichtet. Zudem wächst der Luftverkehr jedes Jahr stark, was die
Klimaschutzziele im Verkehrssektor unterläuft. Klima- und umweltfreundliche
Alternativen wurden von der europäischen Politik jahrzehntelang vernachlässigt,
stattdessen werden klimaschädliche Verkehrsträger wie Auto, LKW und Flugzeug
durch direkte und indirekte Subventionen besonders stark gefördert. Das Land
Berlin sollte umgehend wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Alternativen zum
Flugverkehr auf innereuropäischen Kurz- und Mittelstrecken von und nach Berlin
zu stärken. Hierzu sind auch die Reisekostenregelungen für Landesbedienstete zu
überarbeiten und in Zusammenarbeit mit dem Bund Nachtzugverbindungen in
europäische Hauptstädte zu fördern.
Nachtzugverbindungen gezielt fördern - EU-Hauptstädte verbinden
Das Land Berlin sollte sich zum Ziel setzen, attraktive Angebote im
Schienenpersonenfernverkehr in alle Hauptstädte unserer europäischen
Nachbarländer zu schaffen. Moderne Nachtzüge sind eine nachhaltige und
klimafreundliche Alternative zum Flugverkehr in Europa. Durch eine gezielte
öffentliche Förderung kann das Angebot an Nachtzügen in Berlin wieder ausgebaut
werden. Aktuell fehlen insbesondere attraktive Bahnverbindungen über Nacht nach
Paris und Brüssel, aber auch nach Skandinavien und Osteuropa sollte das Angebot
schnell verbessert werden. Für Verbindungen auf Mittelstrecken, wie etwa
Richtung London, Rom und Barcelona bieten sich speziell für den Nachtverkehr
ertüchtige Hochgeschwindigkeitszüge an. Deshalb soll sich das Land Berlin über
eine Bundesratsinitiative dafür einsetzen, dass der Bund in Zusammenarbeit mit
den betroffenen Bundesländern neue Nachtzugverbindungen mit Schlaf- und
Liegewagen sowie (auf geeigneten Strecken) für den Nachtverkehr optimierten
Hochgeschwindigkeitszügen ins europäische Ausland ausschreibt, um das bereits
existierende eigenwirtschaftliche Angebot zu ergänzen. Als Alternative zu einer
Ausschreibung von Verkehrsleistungen durch eine Kooperation mit dem Bund soll
auch die Vergabe von Förderkrediten für neue eigenwirtschaftliche
Nachtzugverbindungen ab Berlin durch die Investitionsbank Berlin und die KFW
geprüft werden. Zur Gegenfinanzierung dieser Maßnahmen sollen die Start- und
Landegebühren an den Berliner Flughäfen angehoben werden.
Neben fehlender (Nachtzug-)Verbindungen hindert auch die bestehende Praxis des
Ticketkaufs viele Menschen daran, transeuropäische Zugverbindungen zu nutzen. Es
ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar, dass für eine Zugverbindung von Paris
nach Warschau Online-Tickets über die jeweiligen nationalen Anbieter gebucht
werden müssen. Die Landesregierung sollte sich auf europäischer Ebene dafür
einsetzen, bis Ende der Legislaturperiode ein gemeinsames Online-System und
offene technische Schnittstellen verpflichtend einzuführen, um europaweit
Tickets für alle Tag- und Nachtzugverbindungen öffentlicher und privater
Anbieter auf allen gängigen Buchungsportalen buchen zu können. Außerdem soll
dafür gesorgt werden, dass alle online verfügbaren Angebote auch Agenturen und
Reisezentren zu fairen Konditionen zur Verfügung gestellt werden, um durch
kompetente Beratung weitere Kund*innen für den internationalen Bahnverkehr zu
gewinnen. Für eine Reisekette mit mehreren Bahngesellschaften sollen die
Fahrgastrechte im Verspätungsfall durchgängig und firmenübergreifend gelten.
Zudem soll sich das Land Berlin dafür einsetzen, dass jede*r 18-Jährige in der
EU ein kostenloses Interrail-Ticket bekommt und entsprechende Mittel im EU-
Haushalt aufgestockt werden.
Reisekostenregelungen überdenken – Wahlfreiheit für Beschäftigte schaffen
Beamt*innen und Mitarbeiter*innen des Landes sowie landeseigener Universitäten
möchten wir bei Dienstreisen die Nutzung klimafreundlicher Verkehrsmittel
erleichtern, sowie Anreize für ein sparsames und klimafreundliches
Dienstreiseverhalten setzen. Das Landesbeamtengesetz und entsprechende
Verwaltungsvorschriften sollen so angepasst werden, dass es Landesbediensteten
ausdrücklich erlaubt sein soll, klimafreundliche Verkehrsmittel wie die Bahn
auch dann zu nutzen, wenn sich dadurch längere Reisezeiten oder (in einem
akzeptablen Rahmen) höhere Kosten ergeben. Ein leicht verständlicher und
praktikabler Leitfaden für klimafreundliche Dienstreisen ist in Abstimmung mit
Gewerkschaften und Beamt*innenvertretungen sowie Umwelt- und Verkehrsverbänden
zu erarbeiten.
Landesbedienstete sollen künftig frei wählen dürfen, ob sie auf Dienstreisen
geeignete Arbeiten unterwegs, zum Beispiel im Zug, durchführen möchten, was dann
auch ausdrücklich über die tägliche Arbeitszeit hinaus anerkannt werden soll,
oder die Zeit lieber für private Zwecke nutzen und nicht als Arbeitszeit
verbuchen wollen. Bei Dienstreisezielen, die mit der Bahn in unter viereinhalb
Stunden erreichbar sind, sollen Flugreisen in der Regel nicht mehr erstattet
werden. Fahrten in Nachtzügen sollen bis zur Komfortklasse Schlafwagen erstattet
werden und gleichwertig mit Hotelübernachtungen behandelt werden.
Die Genehmigung von Flugreisen durch Dienstvorgesetzte soll künftig
grundsätzlich meldepflichtig sein. Die hierbei erhobenen Daten sollen
statistisch ausgewertet werden, wobei keine personenbezogenen Daten gesammelt
werden sollen. Dienststellen mit besonders hohem Flugreiseaufkommen sollen dazu
angehalten werden, Alternativen zu prüfen und ihre Mitarbeiter*innen
diesbezüglich zu sensibilisieren. In einem zweiten Schritt soll das Land Berlin
sich als Teil einer übergeordneten Klimastrategie auf der so gewonnenen
Datenbasis verbindliche Ziele für die Reduktion von Dienstreisen per Flugzug
setzten und gegebenenfalls weitere Maßnahmen ergreifen.
Allen Landesbediensteten sollen qualitativ hochwertige e-Conferencing-Tools zu
Verfügung gestellt werden, nach Möglichkeit auf OpenSource-Basis. Eine neue
Richtlinie sollte die Landesverwaltung dazu anhalten, Konferenzen möglichst
zeitlich so anzusetzen, dass eine An- und Abreise mit der Bahn für externe
Teilnehmer*innen am selben Tag möglich ist, so dass Flugreisen und
Hotelübernachtungen vermieden werden können. Die neue Richtlinie soll in erster
Linie die verantwortlichen Landesbediensteten für die Problematik
sensibilisieren, ohne zu strenge Auflagen zu machen, die die Erledigung von
Dienstaufgaben behindern könnten. Auf die Möglichkeit der Nutzung von Nachtzügen
sowie geeignete e-Conferencing-Tools durch externe Teilnehmer*innen von Meetings
soll ausdrücklich hingewiesen werden. Die genauen Details einer neuen,
klimafreundlichen Reisekostenregelung für Landesbedienstete möchten wir im
Dialog mit Gewerkschaften und Beamt*innenverbänden erarbeiten. Die neuen Regeln
sollen zunächst für einen Zeitraum von einem Jahr in einzelnen Dienststellen
freiwillig erprobt werden. Zeilsetzung sollte sein, die Umstellung auf das neue
Regelwerk durch verstärkte Nutzung von e-Conferencing insgesamt kostenneutral zu
gestalten. Grundsätzlich sollen zukünftig die verbleibenden, durch das Reisen
von Beamt*innen und Mitarbeiter*innen des Landes entstehenden unvermeidlichen
CO2-Emissionen kompensiert werden, wobei die Kompensation durch lokale Projekte
in Berlin und nicht in Drittländern erfolgen soll.
Antragsbegründung
Ein ungebremstes Wachstum des europäischen Luftverkehrs ist mit dem Erreichen
der im Klimaschutzabkommen von Paris gesetzten Ziele nicht vereinbar, denn
Reisen mit dem Flugzeug schädigt das Klima um ein Vielfaches mehr als Reisen mit
der Bahn oder dem Fernbus. Gleichzeitig belastet der Flugverkehr die Menschen in
der Umgebung von Flughäfen durch Lärm und Ultrafeinstaub. Auch wenn wir die
Entwicklung von emissionsfreien Technologien im Luftverkehr ausdrücklich
begrüßen, so ist doch allein schon aufgrund der Altersstruktur der Flotten im
Luftverkehr nicht davon auszugehen, dass dieser innerhalb der nächsten zwanzig
bis dreißig Jahre klimaneutral werden kann. Ein Weiter-So beim Wachstum des
europäischen Luftverkehrs kann es daher nicht geben. Wenn es Berlin gelingt, das
Wachstum des Luftverkehrs zu begrenzen, so schont dies die Berliner*innen nicht
nur vor Lärm- und Feinstaubeinwirkungen, sondern leistet auch einen wichtigen
Beitrag zum Klimaschutz. Auch ein weiterer, kostspieliger Ausbau der BER kann so
vermieden werden. Moderne Nachtzüge, wie etwa die Nightjets der ÖBB ermöglichen
bequemes, stressarmes, klimafreundliches und zeitsparendes Reisen über Nacht.
Momentan ist Berlin durch das Angebot der Bahngesellschaften ÖBB, MAV und PKP
Intercity täglich per Nachtzug mit Zürich, Wien, Budapest, Kraków, und Przemyśl
an der polnisch-ukrainischen Grenze verbunden. Die Verbindungen der ÖBB nach
Zürich und Wien operieren hierbei vollständig eigenwirtschaftlich, dass heißt
ohne staatliche Zuschüsse. Ein- bis zweimal wöchentlich besteht eine Verbindung
der russischen Staatsbahn nach Paris, dreimal wöchentlich nach Moskau. Außerdem
gibt es eine saisonale, eigenwirtschaftliche Nachtzugverbindung eines privaten
Anbieters nach Malmö über die Eisenbahnfähre Sassnitz-Trelleborg. Aufgrund der
attraktiven Reisezeiten im Tagesverkehr besteht wenig Bedarf für
Nachtzugverbindungen nach Prag; nach Bern/Zürich und Wien gibt es bereits
eigenwirtschaftliche Nachtzugverbindungen. In Richtung Paris, Luxemburg,
Brüssel, Amsterdam, Kopenhagen und Warschau gibt es jedoch das Potential für die
Wiedereinführung von Nachtzügen. Durch eine gezielte Förderung durch öffentliche
Ausschreibungen oder Förderkredite ist eine kurzfristige Ausweitung des Angebots
möglich. Erfahrungsgemäß bauen neue Bahnverbindungen sich erst über längere Zeit
eine Klientel auf, da Fahrgäste oft nicht sofort nach Etablierung einer
klimafreundlichen Alternative zum Flugzeug auf diese umsteigen, sondern einer
gewissen Umgewöhnungszeit bedürfen. Das macht den Markteintritt für neue
eigenwirtschaftliche Anbieter ganz ohne öffentliche Unterstützung oft zu
riskant, um realisiert zu werden. Andere öffentliche Träger haben ähnliche Pläne
für die Förderung von Nachtzügen, so dass sich durch die Kombination von
Fördermöglichkeiten innerhalb kurzer Zeit starke Synergien entwickeln könnten.
So plant etwa die schwedische Regierung aktuell die Ausschreibung von Nachtzügen
nach Westeuropa.
Die Regelungen des Landesbeamtengesetzes zur Erstattung von Reisekosten sind
nicht praxistauglich und bedürfen dringend einer Überarbeitung. Die Regelung
sieht vor, dass nur das günstigste, regelmäßig verkehrende Transportmittel
erstattet wird. Die Regelung wurde vor der Liberalisierung des Fernbusmarkts
getroffen und bevor eine dynamische Preisgestaltung im Bahnsektor üblich wurde.
Da sich die Preise für einzelne Verbindungen stetig ändern, ist das Gesetz nur
schwer anzuwenden und durchzusetzen. Auch wird von Landesbediensteten in der
Praxis aus Komfortgründen meist nicht erwartet, statt dem Flugzug oder der Bahn
den günstigeren Fernbus zu nehmen, obwohl das Gesetz in seiner heutigen Form
dies eigentlich so vorsieht. Wir möchten eine grundsätzliche Neuregelung der
Erstattung von Reisekosten erreichen, die die Ziele Kosteneffektivität,
Entlastung der Beschäftigten und Klimaschutz miteinander vereinigt. Hierbei soll
eine größtmögliche Wahlfreiheit und Flexibilität für die Beschäftigten
geschaffen werden, ohne dass dies zu unvertretbar hohen Mehrkosten führt. Uns
ist bewusst, dass sich hierbei gewisse Zielkonflikte ergeben, die wir durch
ausgeglichene und flexible Regeln lösen wollen. Von Beschäftigten des Landes
wird oft der Wunsch geäußert, statt dem Flugzeug auch klimaschonendere
Verkehrsmittel für ihre Dienstreisen nutzen zu dürfen. Gleichzeitig kann dies
auch bedeuten, dass eine Reise insgesamt mehr Zeit ins Anspruch nimmt und
Beschäftigte so weniger Zeit mit ihren Angehörigen verbringen können. Neben der
Freiheit, im Landesdienst klimafreundlicher reisen zu dürfen, sehen wir deshalb
auch eine größere Rolle für e-Conferencing, um Stress durch häufige Dienstreisen
vermeiden zu können. Uns ist besonders wichtig, die neuen Regelungen im Dialog
mit Arbeitnehmer*innenvertretungen zu erarbeiten. Niemand soll durch die neuen
Dienstreiseregelungen unzumutbar belastet werden. Unser Ziel ist ein
Dienstreiseverhalten, was sowohl das Klima als auch die Beschäftigten weniger
stark belastet als bisher.
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